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BVerwG: Indizierung des Bushido-Albums „Sonny Black“ rechtlich nicht zu beanstanden

Ein Album mit weitgehend gewaltverherrlichenden und massiv diskriminierenden Songtexten kann als jugendgefährdend indiziert werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Der Kläger, ein bekannter Rapper, brachte ein Album mit 15 Titeln heraus, deren Texte den kriminellen Lebenswandel der Titelfigur, die von dieser begangenen Straftaten und deren permanente Gewaltbereitschaft beschreiben, sowie nahezu durchgängig herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf Frauen und Homosexuelle in vulgärer Sprache enthalten. Innerhalb weniger Wochen nach der Veröffentlichung wurden mehr als 100 000 Exemplare verkauft. Ein halbes Jahr später leitete die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien das Indizierungsverfahren ein. Dieses führte dazu, dass die Bundesprüfstelle entschied, das Album in die Liste der jugendgefährdenden Medien einzutragen. Eine solche Eintragung zieht unmittelbar kraft Gesetzes Verbreitungs- und Werbeverbote nach sich, die verhindern sollen, dass sich Minderjährige das indizierte Werk beschaffen können.

Die Bundesprüfstelle gab zur Begründung an, die das Album dominierenden gewaltverherrlichenden und grob diskriminierenden Passagen seien geeignet, schädliche Wirkungen auf gefährdungsgeneigte, d.h. besonders empfängliche Minderjährige auszuüben. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Album die Einstellungen und das Verhalten dieser Minderjährigen beeinflusse. Die Botschaft, dass eine skrupellos kriminelle Lebensweise, verbunden mit der Demütigung anderer, zum Erfolg führe, sei geeignet, Empathie und Solidarität mit anderen als hinderliche Schwäche anzusehen, Verachtung anderer zu fördern und ein feindseliges Klima herzustellen. Die Indizierung könne nicht wegen des Kunstgehalts des Tonträgers unterbleiben. Die Abwägung ergebe, dass dem Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen sei. Das Album habe Unterhaltungswert; eine gesteigerte künstlerische Bedeutung komme ihm nicht zu.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht hat ihr stattgegeben. Dabei hat es ausschließlich darauf abgestellt, dass die Bundesprüfstelle den Kunstgehalt nicht vollständig erfasst habe, weil sie die an einzelnen Titeln des Albums mitwirkenden Texter und Komponisten nicht ordnungsgemäß angehört habe. Dies könne im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden, weil der Bundesprüfstelle für die Abwägungsentscheidung ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum eröffnet sei.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung aus den 1990er-Jahren nicht fortgeführt und einen Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle nicht mehr anerkannt. Ein solcher Beurteilungsspielraum ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Ein Sachgrund für die Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle einer Indizierungsentscheidung ist nicht gegeben. Die pluralistische Zusammensetzung der Bundesprüfstelle reicht hierfür ebenso wenig aus wie deren Weisungsunabhängigkeit. Die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen der Bundesprüfstelle zu den jugendgefährdenden Wirkungen und dem künstlerischen Stellenwert eines Kunstwerks sind sachverständige Aussagen, rechtfertigen aber nicht die Annahme eines Beurteilungsspielraums. Daher kann allein wegen der unterbliebenen Anhörung der weiteren am Album beteiligten Künstler im Verwaltungsverfahren die Indizierungsentscheidung nicht aufgehoben werden.

Die Indizierungsentscheidung erweist sich als rechtmäßig. Aus den Feststellungen der Bundesprüfstelle ergibt sich, dass das Album nach den von diesem zutreffend zugrunde gelegten Maßstäben jugendgefährdende Wirkungen hat. Der Kläger hat diese sachverständige Beurteilung nicht zu erschüttern vermocht. Gleiches gilt für die Beurteilung des Kunstgehalts des Albums als bloße Unterhaltung, auch unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens.

BVerwG 6 C 18.18 – Urteil vom 30. Oktober 2019

Vorinstanzen:

OVG Münster, 19 A 2001/16 – Urteil vom 16. Mai 2018 –

VG Köln, 19 K 3287/15 – Urteil vom 02. September 2016

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.11.2019