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EuGH: Google muss Löschungen nicht weltweit vornehmen

Mit Beschluss vom 10. März 2016 verhängte die Präsidentin der Commission nationale de l’informatique et des libertés (CNIL, Nationaler Ausschuss für Informatik und Freiheitsrechte, Frankreich) eine Sanktion von 100 000 Euro gegen die Google Inc. wegen der Weigerung des Unternehmens, in Fällen, in denen es einem Auslistungsantrag stattgibt, die Auslistung auf sämtliche Domains seiner Suchmaschine anzuwenden.

Die Google Inc., die von der CNIL am 21.Mai2015 aufgefordert worden war, die Auslistung auf alle Domains zu erstrecken, kamdieser Aufforderung nicht nachund entfernte die betreffenden Links nur aus den Ergebnissen, die bei Sucheingaben auf Domains angezeigt wurden, die den Versionen ihrer Suchmaschine in den Mitgliedstaaten entsprachen. Die Google Inc. erhob beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 10.März2016. Sie ist der Auffassung, das Auslistungsrecht setze nicht zwangsläufig voraus, dass die streitigen Links ohne geografische Beschränkung auf sämtlichen Domains ihrer Suchmaschine entfernt würden.

Der Conseil d’État hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen er wissenwill, ob die Vorschriften des Unionsrechtsüber den Schutz personenbezogener Daten dahin auszulegen sind, dassder Betreiber einer Suchmaschine, wenn er einem Auslistungsantrag stattgibt, die Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine, nur in allen mitgliedstaatlichen Versionen oder nur in der Version für den Mitgliedstaat, in dem der Auslistungsantrag gestellt wurde, vorzunehmen hat.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass er bereits entschieden hat, dass der Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Websites mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Websites nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Websites als solche rechtmäßig ist.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Niederlassung, die die Google Inc. im französischen Hoheitsgebiet besitzt, Tätigkeiten ausübt, insbesondere gewerbliche und Werbetätigkeiten, die untrennbar mit der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Betrieb der betreffenden Suchmaschine verbunden sind, und dass die Suchmaschine vor allem unter Berücksichtigung der Verbindungen zwischen ihren verschiedenen nationalen Versionen im Rahmen der Tätigkeiten der französischen Niederlassung der Google Inc. eine einheitliche Verarbeitung personenbezogener Daten ausführt.

Eine solche Situation fällt somit in den Anwendungsbereich der Unionsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten. In einer globalisierten Welt kann der Zugriff von Internetnutzern, insbesondere derjenigen, die sich außerhalb der Union befinden, auf die Listung eines Links, der zu Informationen über eine Person führt, deren Interessenschwerpunkt in der Union liegt, auch innerhalb der Union unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf diese Person haben, so dass mit einerweltweitenAuslistung dasSchutzziel des Unionsrechts vollständig erreicht werden könnte. Zahlreiche Drittstaaten kennen jedoch kein Auslistungsrecht oder verfolgen bei diesem Recht einen anderen Ansatz. Auch ist das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden.Zudemkann die Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einerseitsund der Informationsfreiheit der Internetnutzer andererseitsweltweit sehr unterschiedlich ausfallen.

Aus den Vorschriften ergibt sich jedoch nicht, dass der Unionsgesetzgeber eine solche Abwägung in Bezug auf die Reichweiteeiner Auslistung über dieUnion hinaus durchgeführt hätte oder dass er entschieden hätte, den in diesen Bestimmungen verankerten Rechten des Einzelnen eine Reichweitezu verleihen, die über dasHoheitsgebiet der Mitgliedstaaten hinausgeht. Es ergibt sich daraus auch nicht, dass er einem Wirtschaftsteilnehmerwie der Google Inc. eine Pflicht zur Auslistung hätte auferlegen wollen, die auch für die nicht mitgliedstaatlichen nationalen Versionen seiner Suchmaschine gilt. Das Unionsrecht sieht zudemkeine Instrumente und Kooperationsmechanismen im Hinblick auf die Reichweiteeiner Auslistung über die Union hinaus vor.

Der Gerichtshof schließt daraus, dassnach derzeitigem Stand ein Suchmaschinenbetreiber, der einem Auslistungsantrag der betroffenen Person –gegebenenfalls auf Anordnung einer Aufsichts-oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats –stattgibt, nicht aus dem Unionsrecht verpflichtet ist, eine solche Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Das Unionsrecht verpflichtet den Suchmaschinenbetreiber jedoch, eine solche Auslistung in allen mitgliedstaatlichen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmenund hinreichend wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um einen wirkungsvollen Schutz der Grundrechte der betroffenen Person sicherzustellen.Eine solche Auslistung muss daher erforderlichenfalls vonMaßnahmenbegleitet sein, die es tatsächlich erlauben, die Internetnutzer, die von einem Mitgliedstaat aus eine Suche anhand des Namens derbetroffenen Person durchführen, daran zu hindern oder zumindest zuverlässig davon abzuhalten, über die im Anschluss an diese Suche angezeigte Ergebnisliste mittels einer Nicht-EU-Version der Suchmaschine auf die Links zuzugreifen, die Gegenstand des Auslistungsantrags sind. Dasvorlegende Gerichtwird zu prüfenhaben, ob die von der Google Inc. getroffenen Maßnahmen diesen Anforderungen genügen.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass nach derzeitigem Stand das Unionsrecht zwar keineAuslistung in allenVersionen der Suchmaschine vorschreibt, doch verbietet es dies auch nicht. Daher bleiben die Behörden eines Mitgliedstaats befugt, anhand von nationalen Schutzstandards für die Grundrechteeine Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten einerseitsund dem Recht auf freie Information andererseitsvorzunehmen und nach erfolgterAbwägung gegebenenfalls dem Suchmaschinenbetreiber aufzugeben, eine Auslistung in allen Versionen seiner Suchmaschine vorzunehmen.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 112/2019 vom 24.09.2019