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STATUS QUO | Die Vermarktung der Fußball-Bundesliga in Zeiten von „Karen Murphy“

Die Vergabe der medialen Rechte an der Fußball-Bundesliga steht kurz bevor: Die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) will noch im Jahr 2011 den Prozess einleiten. Wenn alles glatt läuft, sollen die Rechte bis April 2012 vergeben sein. Das Bundeskartellamt scheint bereit zu sein, die Verpflichtungszusagen, mit denen die kartellrechtlichen Bedenken gegen die Zentralvermarktung ausgeräumt werden sollen, zu akzeptieren.

Mit einer entsprechenden Entscheidung des Bundeskartellamts nach § 32b Abs. 1 GWB stünde das Vermarktungsmodell für die Rechteperiode ab der Spielzeit 2013/2014 fest. Allerdings hat der EuGH mit seiner Entscheidung vom 4. Oktober 2011 in der Rs. „Karen Murphy“ den rechtlichen Rahmen für die Vermarktung medialer Rechte im Binnenmarkt der Europäischen Union neu abgesteckt. Die Gewährung (absoluter) territorialer Exklusivität, die bei der Vergabe medialer Rechte an Sportveranstaltungen sowie auch bei der Einräumung von Musik– und Filmrechten zum Standardrepertoire in Lizenzverträgen gehört, muss zukünftig an der Dienstleistungsfreiheit und dem Wettbewerbsrecht gemessen werden.

RÜCKBLICK

Die medialen Rechte an der Fußball-Bundesliga für die Rechteperiode von 2009/2010 bis 2012/2013 sind in festen Händen: Sky hält zentrale Live-Rechte für das Pay-TV, die ARD hat für ihre Sportschau Zugriff auf die wichtigsten Erstverwertungsrechte zur Highlight-Berichterstattung, das ZDF verfügt für das Sportstudio über Zweitverwertungsrechte sowie die Rechte zur Erstverwertung des Spiels der Woche im Free-TV und die Deutsche Telekom hat die IPTV-(Live-)Rechte, die der Sender Liga Total nutzt. Die DFL erzielt hierdurch jährlich Einnahmen in Höhe von rund 412 Millionen Euro.

Allerdings ging der Rechtevergabe eine langwierige Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt voraus. Die Vermarktungsagentur Sirius des mittlerweile verstorbenen Medienunternehmers Kirch sollte die Rechte für sechs Jahre erwerben und der Liga im Schnitt € 500 Mio. garantieren. Das Bundeskartellamt störte sich an der langen Laufzeit sowie an dem Umstand, dass eines der beiden zur Ausschreibung vorgesehenen Szenarien eine Highlight-Erstberichterstattung im Free-TV über Samstagsspiele erst ab 22 Uhr vorgesehen hätte. Im Rahmen einer Pressekonferenz teilte das Bundeskartellamt im Juli 2008 schließlich mit, dass es das seinerzeit geplante Vermarktungsmodell für unzulässig halte. U.a. profitierten die Verbraucher nicht angemessen von dem Modell, da keine Erstberichterstattung im Free-TV vor 20 Uhr gewährleistet sei. Das Amt kündigte an, das Vermarktungsmodell zu untersagen, falls die DFL an ihren Plänen festhalten sollte. Dazu kam es indes nicht, da sich die DFL gezwungen sah, das Vermarktungsmodell aufzugeben und die Rechte wie eingangs beschrieben auszuschreiben.

Die DFL erhob vor dem OLG Düsseldorf gegen die „Nicht-Entscheidung“ des Bundeskartellamts Beschwerde. Diese wurde als unzulässig zurückgewiesen. Das Gericht empfahl jedoch, neue Rechteperioden frühzeitig mit dem Bundeskartellamt abzustimmen, um Rechtssicherheit zu erzielen. So könne gegen eine formelle Entscheidung des Bundeskartellamts ggf. noch gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden. Vor diesem Hintergrund verhandelt die DFL bereits seit geraumer Zeit mit dem Bundeskartellamt über die Rechteperiode ab 2013/2014.

RECHTEVERGABE FÜR DIE SPIELZEIT AB 2013/2014

Das von der DFL aktuell geplante Vermarktungsmodell enthält eine Vielzahl von Rechtepaketen. In Bezug auf die Free-TV Highlight-Berichterstattung stehen zwei alternative Szenarien zur Debatte: Szenario I sieht u.a. ein Paket für eine Highlight-Berichterstattung ab 18:30 Uhr im Free-TV vor. Dies entspricht der derzeit geltenden Situation, in der die Rechte für die Sportschau genutzt werden. Im Szenario II soll die Highlight-Berichterstattung im Free-TV erst ab 21:45 Uhr erlaubt sein, während im Internet und über Mobilfunk Zusammenfassungen schon ab 19 Uhr zu sehen sein sollen.

In einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2011 hat das Bundeskartellamt signalisiert, dass den Vermarktungsplänen der DFL keine grundsätzlichen kartellrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Dies gelte auch für das zweite Szenario. Die durchgeführten Marktermittlungen hätten ergeben, dass eine zeitliche Vorgabe für Free-TV-Rechte im Hinblick auf die zu prüfenden Ausschreibungspläne der DFL nicht gerechtfertigt sei. Letzten Endes müsse der Markt entscheiden, welches Szenario zum Zuge komme.

Das Pokern um die medialen Rechte an der Fußball-Bundesliga scheint damit auch für globale Player aus dem Internetbereich wie Google und Yahoo und auch für den Springer-Verlag mit seinem Portal bild.de interessant zu werden.


„KAREN MURPHY“: ENDE DER TERRITORIALEN EXKLUSIVITÄT?

Mitten in die Vorbereitung der Rechtevergabe platzt nun eine wegweisende Entscheidung des EuGH. Am 4. Oktober 2011 entschied der Gerichtshof mehrere Vorabentscheidungsersuchen, welche u.a. die Auseinandersetzung der englischen Wirtin Karen Murphy mit der Premier League betraf (vgl. verb. Rs. C-403/08 und C-429/08). Nach dem Urteil verstößt ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen, das Sendern eine gebietsabhängige Exklusivität für einzelne Mitgliedsstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, die entsprechenden Sendungen in den anderen Mitgliedstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen, gegen das Unionsrecht.
In Großbritannien wurden mediale Verwertungsrechte an der Premiere League grundsätzlich exklusiv für ein bestimmtes Lizenzgebiet vergeben. Dabei musste das Sendesignal verschlüsselt werden, um zu verhindern, dass es außerhalb des vereinbarten Lizenzgebietes gesehen werden kann. Decoderkarten zur Entschlüsselung durften nicht außerhalb dieses Lizenzgebietes vertrieben werden.

Die Wirtin Karen Murphy hielt sich nicht an diese Praxis. Sie abonnierte anstelle des in Großbritannien sendenden Pay-TV Anbieters BSkyB den billigeren griechischen Sender Nova. Durch dieses Vorgehen sparte die Wirtin 6000 Euro pro Jahr. Den griechischen Kommentar ersetzte die findige Wirtin durch den Kommentar des BBC-Radios. Als sich diese Umgehung herumsprach, wurde auf Betreiben der Premier-League ein Strafverfahren gegen Murphy eingeleitet.
Der EuGH setzte sich in diesem Urteil, das den Konflikt zwischen dem auch unionsrechtlich geschützten geistigen Eigentum mit der Dienstleistungsfreiheit und dem Wettbewerbsrecht widerspiegelt, sehr ausführlich mit der territorialen Exklusivität in Lizenzverträgen auseinander. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass ein System der Durchsetzung absoluter territorialer Exklusivität – wie dies im Fußball, aber auch in vielen anderen Bereichen üblich ist – gegen die Dienstleistungsfreiheit und das Kartellverbot verstößt. Auch das geistige Eigentum rechtfertige keine Marktabschottung im Binnenmarkt der Europäischen Union.

Der Schutz des geistigen Eigentums ist zwar ein legitimes Ziel, welches grundsätzlich auch Beschränkungen des Wettbewerbs und der Dienstleistungsfreiheit rechtfertige. Ein absoluter Gebietsschutz sei aber unverhältnismäßig. Es bestünde kein Anspruch auf die höchstmögliche Vergütung, sondern lediglich auf eine „angemessene Vergütung“, welche z.B. durch die Einschaltquote und sprachliche Fassungen bewertet werden könne. Auch das Urheberrecht, das das Unionsrecht als Teil der Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten gem. Art. 345 AEUV respektiert, stellt dem EuGH zufolge keinen Rettungsanker für Rechteinhaber zur Durchsetzung der territorialen Exklusivität dar. Zumindest der private Empfang einer in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union rechtmäßig ausgestrahlten Sendung kann daher nicht mehr unterbunden werden. Anders sieht dies im Falle der gewerblichen Nutzung von Sendesignalen z.B. in Gaststätten aus. Bei der Übertragung einer Sendung in einer Kneipe handelt es sich nach dem EuGH um eine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes, welche gesondert erlaubt werden müsse.

Mit dem Urteil des EuGH in der Rs. „Karen Murphy“ zeichnet sich daher ein neuer Rahmen für die Vermarktung ab: Die Einräumung einer absoluten territorialen Exklusivität verstößt gegen die Dienstleistungsfreiheit und das Kartellverbot. Das Einstrahlen von lizenzierten Sendern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union muss hingenommen werden. Dabei können Einschränkungen vorgesehen werden: So können z.B. weiterhin ausschließliche Lizenzrechte an Sender für das Ausstrahlen aus einem Mitgliedstaat vergeben werden. Es kann die Beschränkung auf Kommentare in einer bestimmten Sprache sowie eine Beteiligungsvergütung anhand der Einschaltquote in anderen Mitgliedstaaten vorgesehen werden. Eine Nutzung in Kneipen ohne explizite Erlaubnis kann weiterhin unterbunden werden. Alternativ ist auch die Vergabe EU-weiter Rechte denkbar sein.

WIE GEHT ES NUN WEITER?

Hierzu Dr. Frey im Interview:

Haben Sie das Urteil so erwartet?

Ich habe es für möglich gehalten. In etwa 80 Prozent der Fälle folgt der EuGH seinem Generalanwalt, und die Frau Generalanwältin Kokott hatte es so empfohlen, wie es gekommen ist. Allerdings hatte ich immer daran gezweifelt, dass der EuGH diesen weiten Schritt gehen würde.

Warum hätte er das nicht tun sollen?

Weil er damit das traditionelle System der Rechtevergabe völlig auf den Kopf stellt. Das System kann jetzt so nicht fortgeschrieben werden. Jetzt muss man europäisch denken und neue Strategien auch bei der DFL entwickeln. Das ist ein grundsätzlicher Richtungswechsel. Wenn wir beispielsweise einen Lizenznehmer in Österreich haben, der auf der Basis seiner für Österreich erworbenen Rechte auch Pay-TV in Deutschland anbieten möchte, dann wird es die DFL schwer haben, das zu unterbinden.

Europäisch denken heißt, die Rechte können gar nicht mehr national vergeben werden. Man muss sie stattdessen paneuropäisch verkaufen?

Ich glaube nicht, dass die DFL ganz so weit gehen muss. Aber ja, der klarste Weg wäre tatsächlich ein paneuropäisches Recht, das vergeben wird. Um es einmal konkret zu machen: Nehmen wir mal an, Sky würde die Pay-TV-Rechte erneut erwerben. Dann könnte die DFL nach meiner ersten Einschätzung Sky Rechte einräumen, um als einziger Pay-TV-Sender in Deutschland auch in die europäische Union zu senden. Und gleichzeitig könnte man zum Beispiel einen Lizenznehmer in Frankreich bestimmen, der aus Frankreich heraus in die europäische Union ausstrahlen darf. Den nationalen Ausgangspunkt eines Senders kann man nach meinem Dafürhalten weiterhin beschränken, nicht aber das Zielgebiet des Sendesignals, dies muss europäisch sein.

In letzter Konsequenz aber wird es auf eine Konzentration der Marktmacht bei einigen wenigen Anbietern hinauslaufen?

Die Gefahr besteht natürlich. Wenn die Rechteinhaber sagen, es ist uns zu kompliziert, weiterhin viele Player im europäischen Binnenmarkt zu bedienen, und sie haben einen großen Nachfrager, der vernünftig zahlt, dann wird das Interesse groß sein, mit ihm abzuschließen.

Was bedeutet das Urteil für die DFL, die in diesem Jahr über die Bundesliga-Rechte ab 2013/2014 verhandeln will?

Die Ausschreibung wird nicht so aussehen, wie sie 2008 ausgesehen hat. 2008 wurden die Rechte für das nationale Territorium der Bundesrepublik Deutschland vergeben. Jetzt muss die europäische Perspektive berücksichtigt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass die DFL ausländischen Rechteinhabern, die nach Deutschland hinein senden, zum Beispiel versucht zu untersagen, den Kommentar auf Deutsch anzubieten.

Aber die Sender, die Rechte erwerben möchten, dürften doch weniger bieten als früher?

Das wird sich zeigen. Wenn die DFL sagt, wir vergeben ein europäisches Recht – und das möglichst exklusiv- , dann ist dieses Recht vielleicht sogar werthaltiger als das nationale Recht. Allerdings bedarf es dann auch eines Nachfragers, der eine europäische Strategie hat, um mit diesem teureren Recht etwas anfangen zu können.

Sehen Sie diesen europäischen Spieler auf dem deutschen Markt? Sky vielleicht?

Sky alleine vielleicht noch nicht. Wenn man jedoch BSkyB und News Corp dazu nimmt, könnte man eine europäische Strategie entwickeln. Aber ein anderer Spieler, den man auf keinen Fall vergessen darf, kommt aus dem Internet: Google. Die haben sicher auch ein Interesse an europäischen Rechten – auch wenn die nächste Rechteperiode vielleicht noch zu früh für das ganz große Angebot von Google kommt.

(Interview mit Herrn Thorsten Waterkamp, veröffentlicht im Weser-Kurier am 5. Oktober 2011)