Special: Recht auf Datenübertragbarkeit

Teil I: Einordnung des neuen Rechts auf Datenübertragbarkeit

Das Recht auf Datenübertragung stellt ein rechtliches Novum dar. Es umfasst sowohl das Recht auf Bereitstellung der eigenen personenbezogenen Daten, das Recht auf Erwirkung der direkten Übermittlung der Daten als auch das Recht auf Erhalt der Daten ohne Behinderung. Das neue Recht lässt sich wie folgt einordnen:

1. Überblick und Regelungsgehalt

Art. 20 der DS-GVO, der unmittelbar anwendbar ist, schafft ein neues Recht auf Datenübertragbarkeit zugunsten „betroffener Personen“, die „Verantwortlichen“ (z. B. einem Unternehmen) ihre personenbezogenen Daten zur Verarbeitung auf der Grundlage eines Vertrages oder einer Einwilligung bereitgestellt haben, und die Verarbeitung seitens des Verantwortlichen mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt. Die Übermittlung der personenbezogenen Daten hat in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format ohne Behinderung zu erfolgen. Betroffene können die Übermittlung – ohne Behinderung – auch unmittelbar an einen anderen Verantwortlichen verlangen, soweit dies technisch machbar ist. Die Formulierung in Absatz 2 des Art. 20 DS-GVO statuiert hierfür eine Pflicht zur Mitwirkung des anderen Verantwortlichen, an den die personenbezogenen Daten zu übermitteln sind.

Das Recht auf Löschung bzw. auf Vergessenwerden (Art. 17 DS-GVO) bleibt durch die Ausübung des Rechts auf Datenübertragbarkeit unberührt. Betroffene Personen müssen über das Bestehen des Rechts auf Datenübertragbarkeit informiert werden (Art. 13, 14 DS-GVO).

Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt nicht, wenn bereitgestellte personenbezogene Daten für die Wahrnehmung von Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen, durch den Verantwortlichen verarbeitet werden oder die Verarbeitung in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Darüber hinaus darf das Recht auf Datenübertragbarkeit die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.

Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt ebenfalls nicht, wenn der Verantwortliche nachweisen kann, dass er nicht in der Lage ist, die betroffene Person zu identifizieren, es sei denn, die betroffene Person stellt zur Ausübung ihres Rechts auf Datenübertragbarkeit zusätzliche Informationen bereit, die ihre Identifizierung ermöglichen (Art. 11 DS-GVO).

Auch im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen kann das Recht auf Datenübertragbarkeit beschränkt (Art. 23 DS-GVO) bzw. Ausnahmen vorgesehen werden. So hat der deutsche Gesetzgeber z. B. eine solche Ausnahme in dem neu in Kraft tretenden BDSG (§ 28 Abs. 4) festgelegt, nämlich dann, wenn die Geltendmachung des Rechts auf Datenübertragbarkeit die Verwirklichung der im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecke unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt und die Ausnahme für die Erfüllung dieser Zwecke erforderlich ist.

Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, können die Mitgliedstaaten außerdem Abweichungen oder Ausnahmen von dem Recht auf Datenübertragbarkeit vorsehen, soweit dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen (wie z.B. das Medienprivileg im Rundfunkstaatsvertrag).

2. Systematische Einordnung des Rechts auf Datenübertragbarkeit

Aus dem Entstehungsprozess von Art. 20 DS-GVO wird deutlich, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit sehr eng mit dem Auskunftsrecht gem. Art. 15 DS-GVO zusammen hängt, wonach eine betroffene Person Auskunft über alle sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen kann. Inhaltlich reicht dieses Recht weiter als das Recht auf Datenübertragbarkeit, das nur ein Recht auf Übermittlung der dem Verantwortlichen bereitgestellten personenbezogenen Daten gewährt. Das Auskunftsrecht der betroffenen Person reicht insofern weiter, als dass es nicht nur einen Anspruch auf Auskunft über die eigenen personenbezogenen Daten etabliert, sondern auch flankierende Informationen verlangt werden können, wie z.B. zu Verarbeitungszwecken, zu Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden, zu Empfängern etc.

Im Übrigen liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Rechts auf Datenübertragbarkeit beim Betroffenen.

3. Ratio legis und Wirkungen

Die ratio legis des Rechts auf Datenübertragbarkeit besteht darin, betroffenen Personen im Fall der Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit automatischen Mitteln eine bessere Kontrolle über die eigenen Daten einzuräumen, eines der grundlegenden Ziele der DS-GVO.

Die Verbesserung der Kontrolle über die eigenen Daten bewirkt aber noch keine ausschließliche Kontrolle über die eigenen Daten, die einer eigentumsähnlichen Rechtsposition vergleichbar wäre. Zu einer Übertragung der Daten in einem dinglichen Sinn kommt es nicht, da Art. 20 DS-GVO nur die Übermittlung einer Kopie der Daten, nicht jedoch auch die Löschung der Daten vorsieht.

Das Recht auf Datenübertragbarkeit fördert zudem den Wettbewerb zwischen Anbietern, da es betroffenen Personen einen Anbieterwechsel erleichtert. Wenn betroffene Personen von ihrem bisherigen Anbieter verlangen können, die ihm bereitgestellten personenbezogenen Daten direkt an einen Konkurrenten ohne Behinderung zu übermitteln, wirkt sich dies zweifellos auf den Wettbewerb aus. Regelungen zu Anbieterwechseln finden sich z.B. im Banken-, Telekommunikations- und Elektrizitäts-/Gassektor. Lock-in-Effekte lassen sich so reduzieren.