Special: eSport

3. Bestehende Regularien und Verbände

Die Verbandslandschaft im eSport lässt sich nicht mit der des klassischen Sports vergleichen. Letzterer ist bottom-up und hierarchisch organisiert, wo Verbandsstrukturen auf nationaler Ebene in einem Verband zusammenlaufen, der Liegen und Turniere durch seine Regelwerke organisiert.

Durch die besondere Position der Publisher als Inhaber der Verwertungsrechte an den Videospielen, bilden sich die eSport Strukturen im Gegensatz zum klassischen Sport häufig top-down vom Publisher her aus: Er hat Zugang zu den Spielern, bestimmt Spielregeln, Spielmodi, Turnier- und Ligen Formate, kontrolliert Geschäftsmodelle und Vermarktung oder greift auf externe Partner zu, die die Ausrichtung von Turnieren übernehmen.

Diese Strukturen erschweren es Verbänden, ein Gegengewicht zu den Publishern aufzubauen, aktiv zu werden und Mitglieder zu gewinnen. In Deutschland versucht dies der eSport-Bund Deutschland (ESBD):

In Deutschland gründete sich bereits 2003 der Deutsche eSport Verband (DeSpV) und kurz darauf der Deutsche eSport Verband e.V. (DeSV), beide mit dem Ziel, das Ansehen des eSports zu verbessern, Ligen miteinander zu verknüpfen und ein einheitliches Regelwerk zu schaffen. Beide Verbände schlossen sich 2004 zusammen. Aus diesem Zusammenschluss erwuchs 2010 der Deutsche eSport-Bund, der jedoch seit 2011 inaktiv ist. Seit Sommer 2016 vertritt der BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware) in Zusammenarbeit mit Entwicklern, Publishern, Veranstaltern und Anbietern über eSports.biu die Interessen der Branche und versucht vor allem die Akzeptanz des eSports in Gesellschaft und Politik zu fördern. BIU und ESL haben jetzt als Gründungsmitglieder im November 2017 den ESBD gegründet, der sich als deutscher Dachverband des eSports versteht und die bestehende Repräsentationslücke des elektronischen Sports im deutschen Verbandswesen schließen will.

Anfang 2020 hat der ESBD zusammen mit weiteren europäischen Verbänden in Brüssel den europäischen Dachverband European Esports Federation (EEF) gegründet. Dieser positioniert sich als Ansprechpartner für die europäische Politik und andere Verbände, mit dem Ziel, bestehende Regeln unter den bestehenden europäischen Verbänden zu harmonisieren und als Anlaufstelle für kleinere eSport-Organisationen und den Breitensport zu fungieren.

Daneben gibt es in Deutschland die ESIC, die „eSports-Integritäts-Koalition“, ein Zusammenschluss von Unternehmen und Organisationen der eSport-Szene. Sie kämpft gegen Doping-, Wett- und Softwarebetrug und bemüht sich insbesondere um eine engere Anbindung an die World Anti Doping Agency (WADA). ESIC, deren Gründungsmitglied die ESL ist, hat im Kampf gegen Doping zum Beispiel im Sommer 2017 bei der ESL One Cologne Speichelproben durchgeführt.

In anderen Ländern, wie zum Beispiel in China, Südkorea, Iran, Vietnam, Russland, Italien oder Finnland, sind nationale „eSport-Verbände“ allesamt von ihren nationalen olympischen Komitees als Verbände aufgenommen.

Auf internationaler Ebene gibt es seit 2008 die International eSport Federation (IeSF) mit Sitz in Südkorea, die sich für heute rund 50 Nationen (ESBD ist Mitglied), weltweit um die Anerkennung des eSports als Sport einsetzt und einheitliche Regularien und Standards schaffen will. Die IeSF ist seit 2013 Mitglied in der WADA und seit 2015 Partner mit der International Association of Athletics Federations (IAAF).

Daneben hat die ESL als die weltweit wichtigste eSport-Organisation zusammen mit acht Profi Teams (Fnatic, Natus Vincere, EnvyUs. Virtus.Pro, Gamers2, Faze, mousesports und Ninjas in Pyjamas) im Mai 2016 den internationalen Dachverband „World ESports Association“ (WESA) mit Sitz in der Schweiz gegründet. Zwischenzeitlich sind weitere Teams hinzugekommen, wie z.B. die SK Gaming oder Renegades aus den USA.

Die WESA stellt einen weiteren Versuch zur Strukturierung des stetig wachsenden eSports dar. Die WESA versteht sich als Dachverband des eSports und orientiert sich in ihrer Organisation und den Aufgaben an traditionellen Spotverbänden mit dem Ziel allgemeingültige Regularien, bspw. für Spielertransfers zu schaffen. Sie will zudem eine Gewinn- und Umsatzbeteiligung der Teams an den ausgewählten Turnieren etablieren, kalkulierbare Zeitpläne für Fans erstellen oder Streitigkeiten über ein Schiedsgericht klären. Finanzieren soll sie sich über Vermarktungserlöse. Einige sehen daher in WESA eine Art FIFA oder hinterfragen kritisch die grundsätzliche Motivation des Verbandes, dem sich Big Player (wie Riot oder Valve) bislang nicht angeschlossen haben.

Außerdem zweifeln viele Vertreter der Szene grundsätzlich am Funktionieren eines Dachverbandes im eSport. Selbst wenn Profi-Teams sich in einer solchen Struktur einordnen, bliebe an oberster Stelle der Hierarchie immer noch der Spielehersteller, der alleine über die Lizenzierung seines Spieles bestimmt und seine Kontrolle nur ungern abgeben wird.