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EuGH: DSGVO gilt auch für den Petitionsausschuss eines Mitgliedstaates

Personen, die bei ihm eine Petition eingereicht haben, verfügen somit grundsätzlich über ein Auskunftsrecht in Bezug auf die sie betreffenden personenbezogenen Daten.

Ein Bürger, der eine Petition beim Petitionsausschuss des Parlaments des Landes Hessen (im Folgenden: Hessischer Landtag) eingereicht hatte, begehrte von diesem Ausschuss Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die dieser im Rahmen der Behandlung seiner Petition gespeichert hatte. Diesen Antrag stützte er auf die Datenschutz-Grundverordnung, die das Recht der betroffenen Person vorsieht, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu erhalten.

Der Präsident des Hessischen Landtags lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das Petitionsverfahren eine parlamentarische Aufgabe sei und dass das Parlament nicht der Datenschutz-Grundverordnung unterliege.

Das von diesem Bürger angerufene Verwaltungsgericht Wiesbaden (Deutschland) ist der Auffassung, dass das deutsche Recht im Rahmen einer Petition wie der in Rede stehenden kein Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten vorsehe. Da es jedoch meint, dass sich ein solches Auskunftsrecht aus der Datenschutz-Grundverordnung ergeben könnte, hat das Verwaltungsgericht den Gerichtshof zu diesem Punkt befragt. Da es außerdem Zweifel an seiner eigenen Unabhängigkeit und somit an seiner Eigenschaft als Gericht hat, das zur Vorlage an den Gerichtshof berechtigt ist, hat das Verwaltungsgericht den Gerichtshof auch zu diesem Aspekt befragt.

Mit seinem Urteil von heute antwortet der Gerichtshof, dass der Petitionsausschuss eines Gliedstaats eines Mitgliedstaats insoweit, als dieser Ausschuss allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheidet, als „Verantwortlicher“ im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung einzustufen ist. Die von einem solchen Ausschuss vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt daher dieser Verordnung, unter anderem der Bestimmung, die den betroffenen Personen ein Recht auf Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten verleiht.

Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, dass die Tätigkeiten des Petitionsausschusses des Hessischen Landtags nicht unter eine in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahme fallen. Er räumt ein, dass diese Tätigkeiten behördlicher Art und spezifische dieses Landes sind, da dieser Ausschuss mittelbar zur parlamentarischen Tätigkeit beiträgt, weist jedoch darauf hin, dass diese Tätigkeiten auch politischer und administrativer Natur sind. Zudem geht aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, in keiner Weise hervor, dass diese Tätigkeiten im vorliegenden Fall unter eine der in dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen fallen.

Die vom Verwaltungsgericht geäußerten Zweifel in Bezug auf seine eigene Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive prüft der Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens.

Diese Zweifel beruhen darauf, dass erstens die Richter vom Justizministerium ernannt und befördert würden, sich zweitens die Beurteilung der Richter durch das Justizministerium nach denselben Bestimmungen richte, die für Beamte gälten, drittens die personenbezogenen Daten und die dienstlichen Kontaktdaten der Richter vom Justizministerium verwaltet würden, das damit Zugriff auf diese Daten habe, viertens Beamte zur Deckung eines vorübergehenden Personalbedarfs als Richter auf Zeit ernannt werden dürften und fünftens das Justizministerium die externe und die interne Organisation der Gerichte vorgebe, die Personalzuweisung, die Kommunikationsmittel und die EDV-Ausstattung der Gerichte bestimme und auch über Auslandsdienstreisen der Richter entscheide.

Unter Heranziehung seiner Rechtsprechung zum Begriff „Gericht“ im Sinne des Unionsrechts und insbesondere zur Unabhängigkeit, die erforderlich ist, um als solches angesehen zu werden, stellt der Gerichtshof fest, dass die Gesichtspunkte, die das Verwaltungsgericht Wiesbaden zur Begründung seiner Zweifel darlegt, für sich genommen nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass dieses Gericht nicht unabhängig ist.

Der Gerichtshof weist insbesondere darauf hin, dass der bloße Umstand, dass die Legislative oder die Exekutive im Verfahren der Ernennung eines Richters tätig werden, nicht geeignet ist, eine Abhängigkeit dieses Richters ihnen gegenüber zu schaffen oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen zu lassen, wenn der Betroffene nach seiner Ernennung keinerlei Druck ausgesetzt ist und bei der Ausübung seines Amtes keinen Weisungen unterliegt.

Quelle: Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs vom 09. Juli 2020