Der Bundesgerichtshof hat im Leitentscheidungsverfahren zum sog. Scraping-Komplex entschieden, dass auch der kurzzeitige Kontrollverlust des Nutzers über seine personenbezogenen Daten grundsätzlich einen immateriellen Schaden darstellt. Den betroffenen Nutzern steht daher ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Dem Scraping-Komplex liegt ein Facebook-Tool zugrunde, mit dem es Nutzern ermöglicht werden sollte, „Freunde“ über ihre Telefonnummer auf dem sozialen Netzwerk zu finden. Unbekannte Dritte missbrauchten dieses Tool, um Telefonnummern den entsprechenden Nutzerkonten und dazugehörigen öffentlich einsehbaren Nutzerdaten zuzuordnen. Die betroffenen Nutzer machten geltend, dass die Facebook-Voreinstellung des Kontakt-Import-Tools auf „alle“ mit dem Grundsatz der Datenminimierung unvereinbar sei.
Mehrere Instanzgerichte hatten in diesen Fällen den betroffenen Nutzern keinen Schadensersatz zugesprochen. Insbesondere hatten die Gericht dabei für die Annahme eines immateriellen Schadens den Nachweis spürbarer immaterieller Beeinträchtigungen über den kurzzeitigen Datenkontrollverlust hinaus verlangt. Dem widersprach nun der BGH und entschied mit Verweis auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung zum DSGVO-Schadensersatz (Art. 82 DSGVO), dass auch der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Datenschutzverstoßes ein immaterieller Schaden sein kann. Soweit der Nutzer keine wirksame Einwilligung erteilt habe, was durch das Berufungsgericht zu prüfen sei, dürfte ein solcher DSGVO-Verstoß durch die beanstandete Voreinstellung vorliegen. Allerdings hat der BGH bezüglich des Schadensersatzes für den bloßen Kontrollverlust eine Größenordnung von lediglich 100 € vorgesehen.
Eine prozessuale Besonderheit lag im vorliegenden Fall darin, dass der BGH erstmals von der neuen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ein sog. Leitentscheidungsverfahren (§ 552b ZPO) zu bestimmten. Das neue Instrument soll ermöglichen, Massenverfahren mit vergleichbaren Rechtsfragen schneller und effizienter zu bearbeiten.
Mehr hierzu in der Pressemitteilung des BGH v. 18.11.2024.