I. Ein komplexes Ökosystem
Die ESL (Electronic Sports League), weltgrößter Ausrichter von eSports-Events, gab am 25.01.2018 zwei neue Sponsoring-Deals bekannt: McDonald’s ist ab sofort offizieller Partner der Turnierserie ESL Meisterschaft (Königsklasse in Deutschland in Counter-Strike:Global Offensive, League of Legends und EA SPORTS FIFA17), der Payment-Dienstleister Paysafecard steigt zum globalen Payment-Plattform-Partner bei der ESL auf.
Das aktuelle Beispiel zeigt, dass eSports zu einer immer begehrteren Vermarktungsplattform und zu einem Ökosystem mit einer Vielzahl wirtschaftlich potenter Player herangewachsen ist. Dies sorgt für einen kontinuierlichen Anstieg von Umsatz und Zuschauerzahlen; bis 2020 sollen, laut Newzoo, ein jährlicher Umsatz in Höhe von rund 1,5 Mrd. US-Dollar erreicht werden und die Anzahl der Zuschauer weltweit auf 589 Millionen steigen.
Auch der Kreis der Akteure wächst und professionalisiert sich: Profi Gamer organisieren sich in Clans, die von einem professionellen Management geführt werden und in Turnieren gegeneinander antreten. Die Entwickler und Publisher stehen als kreative Schöpfer am Anfang der Wertschöpfungskette und sind, wie die gesamte Computer- und Spielebranche, international aufgestellt. Die Wettkämpfe werden derzeit in weiten Teilen frei von korporationsrechtlichen Strukturen von den Entwicklern oder Publishern selbst oder von sog. Turnier- und Liga-Ausrichtern, wie der ESL organisiert. Daneben sind weitere Akteure wie Plattformbetreiber, Werbeindustrie, eine wachsende Zahl von Sponsoren und Investoren involviert. Neue Player, wie die Wettanbieter, kommen hinzu.
Die große Zahl der Akteure, deren unterschiedliche Rollen und Interessen bilden ein komplexes Ökosystem, welches durch seine internationale Ausrichtung und zunehmende Professionalisierung eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft.
II. Rechtliche Fragen bei der Organisation des Spieltriebs
Neben der bereits adressierten offenen Frage der Anerkennung des eSports als eigenständige sportliche Disziplin (vgl. Status Quo 08/2017), gibt es zum Beispiel im Hinblick auf die Spielehersteller bzw. Wettkampfveranstalter und der Organisation des Spielbetriebs eine Reihe rechtlicher Fragestellungen, die im Folgenden kurz betrachtet werden.
1. Urheberrechtlicher Schutz des Videospiels
Im Unterschied zu den „klassischen“ Sportarten, für die ein urheberrechtlicher Schutz aufgrund des Fehlens einer persönlichen geistigen Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG überwiegend abgelehnt wird, ist anerkannt, dass jedenfalls das einem Videospiel zugrundeliegende Computerprogramm gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 69a ff. UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Daneben können die einzelnen gestalterischen Elemente, urheberrechtlichen Schutz genießen, sofern sie jeweils für sich oder zumindest im Zusammenspiel die erforderliche Schöpfungshöhe erreichen. Hierzu zählen insb. Grafiken wie z.B. Spieler-Avatare, Landschaften und die Benutzeroberfläche (als Werke der bildenden Kunst, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), Textinhalte (als Sprachwerke gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) sowie Untermalungsmusik (gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG). Die Gesamtgestaltung kann als Filmwerk gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG bzw. als Laufbild gem. §§ 94, 95 UrhG geschützt sein. Auch ein Schutz der fiktionalen Charaktere kommt bei hinreichender eigenschöpferischer Prägung der Figur in Betracht. Da Videospiele typischerweise nicht unter einen einheitlichen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zu fassen sind, wird in der Regel Werkverbindung zu Verwertungszwecken gem. § 9 UrhG vorliegen. Daher ist für die urheberrechtliche Bewertung von Videospielen stets zu prüfen, welche ihrer Ausprägungen oder Bestandteile tatsächlich betroffen sind.
2. Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe der Spielinhalte
Unabhängig von den Einzelfragen des urheberrechtlichen Schutzes eines Videospiels sind sowohl die Vervielfältigung der eingesetzten Software als auch die öffentliche Wiedergabe der Spielinhalte urheberrechtlich relevante – und somit erlaubnispflichtige – Verwertungshandlungen. Die Wahrnehmbarmachung der Spiele für anwesendes Publikum unterfällt dem Vorführungsrecht (§ 19 Abs. 4 UrhG). Das Senderecht ist zur linearen Übertragung an die Öffentlichkeit, § 20 UrhG, durch Live-Streams von Bedeutung. Für die Verbreitung über Video-on-Demand-Plattformen ist das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, §19a UrhG, einschlägig, bei einer nachgelagerten öffentlichen Wiedergabe zuvor ausgestrahlter bzw. zugänglich gemachter Übertragungen des Wettkampfs § 22 UrhG. Da die Standard-Lizenzbedingungen bei Videospielen insbesondere kommerzielle Nutzungen in der Regel ausdrücklich verbieten, muss der Veranstalter sich diese Rechte gesondert einräumen lassen, soweit er nicht selbst Inhaber der urheberrechtlichen Befugnisse ist.
Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den historisch gewachsenen Sportarten, an deren Regeln bzw. an deren zur Ausübung erforderlichen Spielgeräten grundsätzlich keine Urheberrechte bestehen. Hätte etwa Adidas als führender Hersteller der bei großen Wettkämpfen zum Einsatz kommenden Fußbälle eine vergleichbare Rechtsposition inne, unterläge die Verwendung des Balles, und damit die Ausübung des Fußball-Sports mit Adidas-Bällen, einem Verbotsrecht. Um im Bild zu bleiben, hätte der Ball-Hersteller sogar das Recht, die Regeln des sportlichen Wettkampfs vorzugeben. Dieser Vergleich mit den Herstellern der Spielgeräte klassischer Sportarten unterstreicht die urheberrechtlich begründete, äußerst starke Rechts- und Verhandlungsposition von Spieleherstellern im Verhältnis zu den reinen Wettkampf- bzw. Turnierveranstaltern.
3. Fairer Spielbetreib
Eine andere zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung eines sportlich fairen und unverzerrten Spielbetriebs. Neben der Festlegung der allgemeinen Wettkampfregeln (z.B. Ausscheidungsmodus, Teamgröße und -auswahl, Transfers, Preisgelder) ist es Sache der Veranstalter, für gleichwertige Startbedingungen und die Einhaltung der Regeln des Fair Play Sorge zu tragen, jedenfalls soweit diese Aufgaben nicht von einem übergeordneten Verband erfüllt werden. Dies bezieht sich vor allem auf den Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen durch regelwidriges Spielgerät, Beeinträchtigungen durch örtliche Gegebenheiten sowie die Kooperation mit den Anti-Doping-Behörden.
So ist es gerade bei Videospielen inzwischen gängige Praxis, dass diese regelmäßig auf neuere Programmversion aktualisiert werden. Dabei enthalten diese „Patches“ genannten Updates neben rein technischen Anpassungen regelmäßig auch Eingriffe in die Spielmechanik, das sog. „Balancing“, aus der sich die Stärke der Spielfiguren im Verhältnis zueinander ergibt. Spielehersteller könnten so auch Einfluss auf den Verlauf einer eSports-Saison nehmen, etwa indem die bevorzugten Spiel-Charaktere oder Taktiken eines derzeit erfolgreichen Teams einer entsprechenden Veränderung unterzogen werden. Dies muss bei der Vertragsgestaltung zwischen Spieleherstellern und Veranstaltern möglichst ausgeschlossen werden.
Bei eSports tritt zudem die spezifische Gefahr verbotener Manipulationen des Programmablaufs durch Spieler, insbesondere mit unzulässigen technischen Hilfsmitteln (sog. „Cheats“), hinzu. Hierbei handelt es sich um Programme, die durch Einwirken auf die Spielesoftware dem Spieler einen im normalen Spielablauf nicht vorgesehenen Vorteil verschaffen. Dies kann durch manipulative Eingriffe in das zuvor beschriebene Balancing oder die Automatisierung von komplexen Eingabeanforderungen an den Spieler geschehen.
Weitere rechtliche Fragenkomplexe werden in einem zweiteiligen Aufsatz von RA Prof. Dr. Dieter Frey LL.M. (Brügge), „eSports – Rechtsfragen eines komplexen Ökosystems im Überblick“ im Februar und im April in der SpuRt ausgeführt.
Daneben finden Sie rund um das Hype-Thema auf https://frey.eu/ ein Special mit einer Beitragsserie, die eSports in seiner Gesamtheit beleuchtet.