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BVerfG: Datenweitergabe durch Verfassungsschutz teilweise verfassungswidrig

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung teilweise nicht vereinbar sind. Dies betreffe Vorschriften nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), die zur Übermittlung personenbezogener Daten verpflichten, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sei gleichermaßen durch die ursprüngliche Datenerhebung wie durch die spätere Übermittlung personenbezogener Daten und Informationen betroffen. Die die Übermittlungsbefugnisse betreffenden Vorschriften verstoßen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einerseits gegen die Normenklarheit und andererseits den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Ersteres ergebe sich im Hinblick auf die in § 20 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG vorgesehenen Verweisungen. Gesetzliche Verweisungsketten seien zwar grundsätzlich möglich, sie dürften jedoch nicht durch die Inbezugnahme von Normen, die andersartige Spannungslagen bewältigen, ihre Klarheit verlieren und zu übermäßigen Schwierigkeiten bei der Anwendung führen. Bezüglich der Verhältnsimäßigkeit sei zu beachten, dass eine Übermittlung von personenbezogenen Daten und Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, an den gleichen Rechtfertigungsvoraussetzungen zu messen sei, wie eine hypothetische Neuerhebung. Daher komme eine Übermittlung an eine Strafverfolgungsbehörde nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten in Betracht und setze voraus, dass ein durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht vorliegt, für den konkrete und verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorhanden seien. Diesen Anforderungen genüge § 20 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG nicht. Die angegriffenen Normen gelten jedoch – nach den in der Entscheidung festgehaltenen einschränkenden Maßgaben – bis zum 31. Dezember 2023 vorübergehend fort.

Mehr hierzu in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts v. 3.11.2022.