Special: Medienprivileg

Teil VI: Unionsrechtlicher Regelungsauftrag des Art. 85 DSGVO

Art. 85 DSGVO dient dem unionsrechtlichen Ausgleich zwischen dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 GRCh und der Freiheit der Meinungsäußerung des Art. 11 GRCh bzw. der Freiheit von Kunst und Wissenschaft gemäß Art. 13 GRCh. Art. 85 DSGVO bezweckt die Herstellung praktischer Konkordanz der betroffenen Grundrechte und Grundfreiheiten. Das Spannungsverhältnis vor allem der Kommunikationsfreiheiten zum informationellen Selbstbestimmungsrecht soll aufgelöst werden.

Art. 85 DSGVO muss im Zusammenspiel mit Erwägungsgrund 153 gelesen werden. Dieser stellt, s.o., anders als der Wortlaut des Art. 85 DSGVO, auf die Ausschließlichkeit der Datenverarbeitung zu den genannten privilegierten Zwecken ab. Er verweist ferner mit Blick auf die Interessenabwägung auf Art. 11 GRCh und hebt die Verarbeitung personenbezogener Daten im audiovisuellen Bereich sowie in den Nachrichten- und Pressearchiven hervor. Bei unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten sei das Ursprungslandprinzip zu beachten. Begriffe wie Journalismus müssten aufgrund ihrer Bedeutung für das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft weit ausgelegt werden.

Systematisch stellt Art. 85 DSGVO eine Öffnungsklausel dar, die einen Regelungsauftrag an die Mitgliedstaaten erteilt. Unklar und strittig ist jedoch das Verhältnis von Absatz 1 und 2 des Art. 85 DSGVO.

Zum einen wird vertreten, dass Art. 85 Abs. 1 lediglich einen Anpassungsauftrag und Abs. 2 DSGVO die eigentliche Öffnungsklausel enthalte, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, Abweichungen und Ausnahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken von bestimmten Kapiteln der DSGVO vorzusehen. Entgegen dieser Betrachtung wird die Auffassung vertreten, Art. 85 Abs. 2 DSGVO müsse als Festlegung gewisser Mindestschutzstandards für die genannten privilegierten Zwecke gesehen, Abs. 1 hingegen als eine Art Auffangtatbestand verstanden werden, der den Mitgliedstaaten Spielraum eröffne, in eng auszulegenden Ausnahmefällen, weitere Abweichungen oder Ausnahmen zu statuieren.

Daneben beinhaltet Abs. 3 eine Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten an die Europäische Kommission bzgl. der im Rahmen von Abs. 2 erlassenen Rechtsvorschriften. Dieser würde – verstünde man Art. 85 Abs. 1 DSGVO als eigenständige Öffnungsklausel, nur für Maßnahmen des nationalen Gesetzgebers nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO gelten.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, der EU-Kommission einen Überblick über die dem Art. 85 Abs. 2 DSGVO unterfallenden mitgliedstaatlichen Vorschriften zu geben, was die Möglichkeit der EU-Kommission erleichtert, bei etwaigen Verstößen Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV anzustrengen. Insbesondere soll verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten die Pressefreiheit mithilfe des Datenschutzrechts gezielt einschränken. Vor diesem Hintergrund wird zum Teil vertreten, dass sich die Mitteilungspflicht – entgegen dem Wortlaut – auch auf Altvorschriften erstrecken kann.

Nach Erwägungsgrund 153 ist bei unterschiedlichen Abweichungs- und Ausnahmeregelungen in den Mitgliedstaaten das Recht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Mitgliedstaates anzuwenden, dem der Verantwortliche im konkreten Fall unterliegt.