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VGH Mannheim: Hausverbot für Journalisten in Gerichtsgebäude rechtmäßig

Ein Hausverbot zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Gerichtsbesuchern, insbesondere Vollstreckungsschuldnern, und Gerichtsbediensteten kann auch gegenüber einem Vertreter der Presse gerechtfertigt sein. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Beschluss vom 17. Mai 2017 entschieden.

Zur Begründung führt der 1. Senat in seinem Beschluss aus:

Der Antragsteller habe im Flur des Amtsgerichts vor dem Dienstzimmer der Gerichtsvollzieher gewartet, bis Besucher – mutmaßliche Vollstreckungsschuldner – herausgetreten seien. Er habe diese Besucher angesprochen, sich als Journalist vorgestellt und ihnen sein Anliegen erklärt, eine Umfrage zur Arbeit der Gerichtsvollzieher durchzuführen. Er habe dazu einen Fragebogen übergeben, der einen einleitenden Artikel sowie an Vollstreckungsschuldner gerichtete Fragen enthalten habe („Welche Erfahrungen haben Sie mit welchem Gerichtsvollzieher gemacht?“, „Ist Ihre Wohnung durch den Gerichtsvollzieher aufgebrochen und/oder durchsucht worden […]?“ usw.). Der Antragsteller habe gegenüber dem Präsidenten des Amtsgerichts angekündigt, im Gericht die an einem Tag bereits durchgeführte Befragung von Gerichtsbesuchern, die aus dem Dienstzimmer der Gerichtsvollzieher heraustreten, fortzusetzen. In einer E-Mail an den Präsidenten des Amtsgerichts habe der Antragsteller zum anderen mitgeteilt, seinem „Team“ lägen Erkenntnisse vor über die „Verletzung von Dienstgeheimnissen, Absprachen, Beeinflussungen, Befangenheit, Diebstahls von Büro- und Betriebsmitteln, Sex unter den Justizangestellten, Bevorzugungen, Vorteilnahme, Alkoholprobleme und Nebenbeschäftigungen von Justizangestellten bei dem von Ihnen geleiteten Gericht“.

Der Antragsteller wandte sich in einem gegen das Land Baden-Württemberg (Antragsgegner) geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Freiburg und dem VGH erfolglos gegen das sofort vollziehbare Hausverbot.

Das vom Präsidenten des Amtsgerichts gegenüber dem Antragsteller am 19. August 2016 ausgesprochene, bis zum 31. Mai 2017 befristete Hausverbot sei – so der VGH – voraussichtlich rechtmäßig. Es sei darauf beschränkt, die Gebäude zum Zweck der „angekündigten Befragungen“ zu betreten. Die Ansprache von Besuchern der Gerichtsvollzieher durch den Antragsteller könne die Besucher in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion habe jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Die geschützte Privatsphäre umfasse Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als privat eingestuft würden, weil das Bekanntwerden nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöse. In diese Privatsphäre greife der Antragsteller mit seiner Ansprache von ihm fremden Gerichtsbesuchern und der sinngemäßen Frage, ob sie „Kunden“ des Gerichtsvollziehers seien, dessen Dienstzimmer sie gerade verlassen hätten, ein. Dahingehende Fragen würden regelmäßig als peinlich, jedenfalls als unschicklich empfunden. Das Anhalten einer Person vor dem Dienstzimmer eines Gerichtsvollziehers vergrößere die Gefahr, dass der Besuch des Gerichtsvollziehers auch anderen Besuchern des Gerichts bekannt werde. Der Antragsteller habe zudem eine Verhaltensweise angekündigt, welche auch die Persönlichkeitsrechte von Bediensteten des Gerichts beeinträchtigen würde. Hätte der Antragsteller diese im öffentlichen Bereich des Gerichts u.a. mit dem Vorwurf strafbarer Handlungen konfrontiert, auf Alkoholprobleme oder gar auf ihre Sexualkontakte angesprochen, hätte dies gravierende Eingriffe in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht bis hin zu Übergriffen in ihre Intimsphäre zur Folge gehabt.

Diese Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schuldner und Gerichtsbediensteten seien nicht durch die Grundrechte des Antragstellers gerechtfertigt. Die Rechte der Presse, auf die er sich berufe, seien durch Grundrechte Dritter beschränkt. Bei der Abwägung dieser Rechte sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit seiner Befragung eine Vorgehensweise gewählt habe, die das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen unausweichlich beeinträchtige. Denn er lasse den Angesprochenen keine Wahl, ob sie ihre Anonymität wahren wollten oder nicht. Er reiße sie durch die Ansprache vielmehr ohne echte Ausweichmöglichkeit aus dem Schutz der Anonymität heraus und setze sie damit der Gefahr einer Bloßstellung aus.

Das angefochtene Hausverbot beschränke sich darauf, den vom Antragsteller ausgeübten Zwang zur Offenbarung von Umständen aus der Privatsphäre zu beseitigen. Denn mit dem Hausverbot werde dem Antragsteller nicht generell der Zutritt zu dem Amtsgericht und auch nicht allgemein das Gespräch mit Besuchern des Gerichts, sondern lediglich der Zutritt zur Durchführung der von ihm angekündigten Befragungen untersagt. Ihm bleibe es unbenommen, auf andere Weise den Kontakt zu Vollstreckungsschuldnern im Allgemeinen oder solchen im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts im Besonderen zu suchen, um mit diesen Interviews zu führen. Dem Antragsteller stehe es ferner frei, vor dem Gerichtsgebäude und damit in einem Bereich, in dem ein vorheriger Kontakt zu Gerichtsvollziehern nicht unausweichlich offenbart werde, Personen darauf anzusprechen, ob sie sich zum Thema der Zwangsvollstreckung äußern möchten. Dabei könne ohne den beschriebenen Zwang in Erfahrung gebracht werden, ob der Angesprochene zu dem Thema aus eigener Erfahrung berichten könne bzw. dies einräumen möchte. Dass der Antragsteller bei der letzten Möglichkeit im Vergleich zu der von ihm bevorzugten Methode mit weniger Antworten rechne, sei ihm zumutbar.

Der Beschluss ist unanfechtbar (1 S 893/17).

Quelle: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshof Mannheim vom 25.08.2017.